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Außerordentliche Kündigung wegen Löschung betrieblicher Daten

März 20, 2023

Das Löschen betrieblicher Daten durch den Arbeitnehmer kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche, fristlose Kündigungdarstellen.

Außerordentliche Kündigung wegen Löschung betrieblicher Daten

Betriebliche Daten sind grundsätzlich der Sphäre des Arbeitgebers zuzuordnen. Sie zu löschen, kann daher eine Pflichtverletzung sein. Wird dieser Verstoß rechtswidrig und schuldhaft von einem Arbeitnehmer begangen, ist eine außerordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers möglich. Doch kann das im Einzelfall schwierig nachzuweisen sein, wie ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 17.11.2022 klarstellte (Az. 3 Sa 17/22).

Verschwiegenheitspflicht im Arbeitsvertrag

Diese Fragen stellten sich nun im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Der Kläger war Angestellter bei der Beklagten, einer Unternehmensberatung. Im Rahmen seines Arbeitsvertrages unterzeichnete er auch Dokumente zur Verschwiegenheitspflicht und zu Herausgabepflichten.

So war er verpflichtet, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle betrieblichen Unterlagen an die Firma herauszugeben. Außerdem galten alle Daten über Mandanten und Zielfirmen/Zielkunden, von denen der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung Kenntnis erlangte und die in den Datenbanken der Gesellschaft gespeichert und verwaltet wurden, als betriebliches Eigentum der Gesellschaft.

Solche Klauseln sind nicht selten und sollen sicherstellen, dass Arbeitnehmer keine internen Vorgänge nach außen tragen. Besonders wichtig ist in diesem Fall die Einstufung der Daten als betriebliches Eigentum der Gesellschaft. Dem Arbeitnehmer sind damit gewisse Handlungsspielräume gesetzt, deren Überschreitung eine Pflichtverletzung darstellen kann.

Die Vorgeschichte eines massiven Streits

Die Firma stellte ihren Arbeitnehmern Notebooks zur Verfügung, um darauf zu arbeiten. Zudem wurde ein sog. Cloud-basiertes Dokumentenmanagement-System genutzt, auf dem sämtliche wichtige Daten online gespeichert wurden. Dort eingebettet war eine OneDrive-Ordner, der für jeden Mitarbeiter individualisiert war und sich dann mit dem jeweiligen Notebook synchronisierte.

Der Kläger hatte geplant, sein Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2020 zu beenden, um den Arbeitgeber zu wechseln. Zuvor, also vom 1. Oktober 2020 bis ursprünglich 21. Januar 2021, hatte er mit der Beklagten einen sog. Sabbatical vereinbart. Hierunter versteht man eine Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die beinhaltet, dass letzterer zwischen einem Monat und einem Jahr unbezahlten Urlaub erhält. Die Gründe dafür sind vielfältig, von der Weltreise bis zur Burnout-Prävention.

Da nun der Kläger sowieso nicht mehr im Hause sein würde, gab er auf Aufforderung am 30. September 2020 sein Notebook, das ihm überlassene iPhone sowie seinen Büroschlüssel ab. Was sich nun genau in den Tagen zuvor abspielte, ist zwischen den Parteien umstritten.

Die Ereignisse aus Sicht des Arbeitgebers

Die Beklagte ließ daraufhin das Notebook technisch überprüfen. Hierbei sei herausgekommen, dass der Kläger sämtliche E-Mails aus dem Posteingangsfach und weiteren diversen Postfächern zunächst vorläufig gelöscht hatte. Dann wäre jedoch durch Leeren des Papierkorbes eine unwiderrufliche Löschung erfolgt.

Am 7. Oktober erfuhr die Beklagte von ihrem IT-Administrator, dass außerdem eine größere Datenmenge von der Cloud-Plattform gelöscht worden wäre. Und das ausgerechnet am 29. September 2020 – einen Tag, bevor das Notebook zurückgegeben werden sollte.

Daraufhin sprach sie als Arbeitgeber am 13. Oktober 2020 eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. Sie stützte diese auf das „mutwillige und endgültige Löschen von essentiellen Projektdaten. Am 14. Oktober erfolgte eine weitere außerordentliche fristlose Kündigung, welche auf das „mutwillige und endgültige Löschen dienstlicher E-Mails vor der Rückgabe des Notebooks“ gestützt wurde.

Das Löschen der Daten habe sogar strafrechtliche Relevanz; eine Strafbarkeit des Arbeitnehmers nach § 303a Abs. 1 StGB sei gegeben. Dieser regelt die vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Löschung von Daten. Der Kläger habe seinem Arbeitnehmer gezielt schaden wollen, nur so erkläre sich die hohe Anzahl der gelöschten dienstlichen E-Mails.

Schließlich verlangte die Beklagte darum, die außerordentliche fristlose Kündigung anzuerkennen. Außerdem wollte sie, dass der Kläger für die Kosten der technischen Untersuchungen aufkommt.

Ganz anders: So sah es der Arbeitnehmer

Aus Sicht des Klägers gestaltete sich die Lage recht anders. Er habe lediglich seine Ordner und sein E-Mail-Postfach aufgeräumt. Die Dokumente, welche er dabei löschte, seien in keiner Weise relevant für den Arbeitgeber. Sie waren nur mit seinem persönlichen OneDrive-Ordner verknüpft. Alle wichtigen Daten wären nach wie vor in der zentralen Cloud gespeichert und zugänglich, auf ihr habe er keinerlei Daten gelöscht.

Der Großteil der Daten wären veraltete Projektversionen gewesen und stellten lediglich „redundanten überholten Datenmüll“ dar. Dieser könne auf keinen Fall von irgendeiner Wichtigkeit für den Arbeitgeber sein.

Was die E-Mails angeht, so hätte es sich dabei um Werbung, Scanner-Kopien und Ähnliches gehandelt. Alle wichtigen E-Mails habe er akribisch in Ordner sortiert, die sich zum Zeitpunkt der Abgabe nach wie vor auf dem Notebook befunden hätten.

Insgesamt habe er also nur seinen Nachfolgern die Arbeit erleichtern wollen, indem er alles übersichtlicher machte. Auf keinen Fall habe er, wie vom Arbeitgeber vorgeworfen, vorsätzlich unternehmensrelevante Daten gelöscht.

Erste Instanz: So entschied das Arbeitsgericht Hamburg

Der Rechtsstreit ging nach dem ersten Tatsachenvortrag vor das Arbeitsgericht Hamburg. Es entschied, dass die Kündigungen nicht statthielten und der Kläger nicht für die Untersuchungen aufkommen müsste.

Für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund stelle § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Rechtsgrundlage dar. Dieser schreibt vor, dass alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. Ferner ist es wichtig, die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen. Im Ergebnis muss dabei herauskommen, dass es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.

Das mutwillige Löschen wichtiger betrieblicher Daten könne grundsätzlich eine fristlose Kündigung begründen. Es sei dem Vortrag der Beklagten aber nicht zu entnehmen, welche wichtigen betrieblichen Daten der Kläger gelöscht haben soll.

Ähnliches gelte für das umfangreiche Löschen dienstlicher E-Mails. Es sei dem Vortrag der Beklagten nicht, auch nicht beispielhaft, zu entnehmen, um welche wichtigen dienstlichen E-Mails es sich gehandelt haben soll.

Insgesamt ginge die Interessensabwägung also zugunsten des Klägers aus. Die Beklagte habe nicht ausreichend begründen können, dass ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliege.

Bestätigung durch das Landesarbeitsgericht Hamburg

Da der Arbeitgeber sich nicht zufriedengab, ging die Streitigkeit in die nächsthöhere Instanz: Das Landesarbeitsgericht Hamburg.

Die Beklagte nannte nun einige Beispiele für gelöschte Daten und führte Excel-Tabellen an. Aus ihnen ginge hervor, dass der Kläger 4.270 Dateien gelöscht habe.

Der Kläger blieb bei seiner Position und führte an, dass sämtliche gelöschte Dateien nicht erheblich wären. Eines der Beispiele begründete er damit, dass ihm von Projektleitern klar kommuniziert worden wäre, die Datei hätte in ihrer Darstellung keinen Sinn ergeben und solle nicht in das betreffende Projekt mit einfließen. Demnach handele es sich ganz offensichtlich nicht um relevante E-Mails.

Das Landesarbeitsgericht bestätigte das Arbeitsgericht zunächst in seiner rechtlichen Einordnung. § 626 Abs. 1 BGB fordere die nötige Interessensabwägung. Auch die Verletzung von Rücksichtnahmepflichten gem. § 242 Abs. 2 BGB könne einen wichtigen Grund darstellen. Hiernach muss jede Partei Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei nehmen.

Von den 4.270 Daten, welche aus dem ergänzten Vortrag der Beklagten hervorgingen, sei nur ein Bruchteil tatsächlich im fraglichen Zeitraum gelöscht worden. Davon wiederum bestand ein wesentlicher Anteil aus persönlichen Ordnern des Arbeitnehmers kamen.

Generell bedeute eine Löschung nicht automatisch, dass die Dateien auch nicht mehr beim Arbeitgeber (in der Cloud) verfügbar wären. Ob die Daten von wesentlicher Wichtigkeit waren und es sich nicht bloß um veraltete Entwürfe gehandelt hat, sei von der Beklagten zu beweisen. Dies sei ihr nicht schlüssig gelungen. Zwar könne sie grundsätzlich selbst entscheiden, welche Daten sie als für ihren Betrieb wesentlich erachtet. Jedoch sei nicht jedes Löschen von Dateien und E-Mails als erhebliche Nebenpflichtverletzung anzusehen.

Da kein erhebliches Fehlverhalten des Klägers ersichtlich wäre, hätte für die Beklagte auch kein ausreichender Anlass bestanden, eine Firma mit der technischen Untersuchung gelöschter Daten zu betrauen. Zwar kann ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB entstehen, wenn Pflichten aus einem Schuldverhältnis verletzt werden. Jedoch verlangt § 254 BGB von einem Geschädigten die Rücksichtnahme auf das Interesse des Schädigers an der Geringhaltung des Schadens. Die Beklagte hatte ihrem Arbeitnehmer nicht einmal die Möglichkeit geboten, zu dem Verdacht Stellung zu beziehen.

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20 März, 2023
Firmendaten zu kopieren, kann ein Grund für eine fristlose Kündigung sein. Jedoch muss hierfür auch eine Schädigung nachgewiesen werden.
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